Jahrzehntelang galt das eigene Auto nicht nur als unverzichtbares Statussymbol, sondern vor allem auch als Ausdruck von Unabhängigkeit.
In vielen Großstädten zeichnet sich mittlerweile allerdings eine gegenteilige Entwicklung ab: Immer weniger Menschen besitzen ein eigenes Fahrzeug. Stattdessen setzen sie auf alternative Mobilitätslösungen wie Carsharing, E-Scooter oder die gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsmittel. Der Trend ist längst nicht mehr nur eine Vermutung, sondern lässt sich sogar anhand handfester Daten belegen.
Der Wandel betrifft nicht nur einzelne Städte, sondern ist in vielen Metropolen weltweit zu beobachten. Während das Auto auf dem Land nach wie vor als essentielles Fortbewegungsmittel gilt, zeigt sich in urbanen Zentren eine klare Abkehr vom privaten Fahrzeugbesitz. Experten sprechen bereits von einer „Post-Auto-Gesellschaft“, in welcher der Besitz eines eigenen Autos nicht mehr als selbstverständlich betrachtet wird.
Rückgang des Autobesitzes in den Metropolen
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In Wien sank die Anzahl der Autos pro 1.000 Einwohner zwischen 2005 und 2019 um ganze sieben Prozent. Auch in anderen europäischen Großstädten wie Berlin, Kopenhagen oder Paris lässt sich ein ähnlicher Trend verzeichnen. In London sank die Zahl der Autofahrer unter 30 Jahren in den letzten zehn Jahren um fast 40 Prozent – ein klares Indiz dafür, dass die junge Generation andere Mobilitätsprioritäten setzt.
Die Gründe dafür sind vielfältig: Umweltzonen, steigende Parkgebühren und ein generell wachsendes Bewusstsein für nachhaltige Mobilität tragen dazu bei, dass immer mehr Menschen den Besitz eines eigenen Autos überdenken. Gleichzeitig fördern viele Städte bewusst Alternativen. Amsterdam etwa hat in den letzten Jahren Hunderte von Parkplätzen entfernt und stattdessen breitere Radwege geschaffen.
Zudem setzen die Städte verstärkt auf den Ausbau von Fahrradinfrastrukturen und autofreien Zonen, um den städtischen Raum für die Bewohner lebenswerter zu machen. Paris etwa verfolgt das ambitionierte Ziel, bis 2025 60.000 Parkplätze für Autos durch Grünflächen und Fußgängerzonen zu ersetzen.
Führerschein ja – aber kein eigenes Auto?
Trotz des sinkenden Autobesitzes bleibt die Nachfrage nach Führerscheinen stabil. Die Fahrschule Zürich verzeichnet zum Beispiel weiterhin konstante Anmeldezahlen. Das zeigt, dass viele Menschen den Führerschein nach wie vor als wichtige Qualifikation betrachten – selbst wenn sie danach kein eigenes Auto besitzen. Die Möglichkeit, jederzeit ein Fahrzeug nutzen zu können − sei es im Rahmen von Mietwagen oder Carsharing − bleibt für viele attraktiv.
Vor allem junge Erwachsene erwerben den Führerschein meist aus pragmatischen Gründen. Wer beispielsweise außerhalb der Stadt arbeitet oder hin und wieder aufs Land fahren möchte, ist mit einer Fahrerlaubnis flexibler – auch wenn im Alltag Bus und Bahn genutzt werden.
Ein weiterer Grund: Die Arbeitgeber legen in einigen Branchen weiterhin Wert darauf, dass Bewerber einen Führerschein besitzen – auch wenn das Fahrzeug selbst kaum genutzt wird.
Die Zukunft der urbanen Mobilität
Die Entwicklung deutet darauf hin, dass sich die Städte langfristig stark verändern werden. Weniger parkende Autos bedeuten mehr Platz für Grünflächen, Fahrradwege und Fußgängerzonen. Barcelona geht mit seinem „Superblocks“-Konzept voran: Innerhalb festgelegter Wohnquartiere ist der Autoverkehr drastisch eingeschränkt, wodurch neue Begegnungsorte und Spielplätze entstehen.
Auch der öffentliche Nahverkehr entwickelt sich weiter. In Stockholm etwa fahren bereits autonome Busse auf Teststrecken. London plant daneben den Ausbau vollelektrischer Transportmittel, um die Umweltbelastung zu reduzieren. Eine spannende Entwicklung zeigt sich auch in Tokio: Dort arbeiten Forscher an einem System, das eine KI-gestützte Verkehrsplanung nutzt, um Staus zu minimieren und die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu optimieren.
Zwischen Komfort und Kosten
Der Besitz eines Autos ist heute teurer als je zuvor. Neben den steigenden Benzinpreisen und den hohen Versicherungskosten spielen auch Wartung und Reparaturen eine Rolle. Besonders in Städten mit gut ausgebautem Nahverkehr entscheiden sich daher viele Menschen bewusst gegen ein eigenes Auto.
Gleichzeitig erleben Carsharing- und Mietwagen-Modelle einen Boom. In Deutschland gibt es mittlerweile über 3,5 Millionen registrierte Nutzer von Carsharing-Diensten – eine Zahl, die weiter wächst. Auch Abo-Modelle für Autos, bei denen Fahrzeuge monatlich flexibel gemietet werden können, werden immer beliebter. Diese Entwicklung zeigt, dass viele Menschen nicht mehr bereit sind, die Fixkosten eines eigenen Fahrzeugs zu tragen. Sie setzen stattdessen lieber auf flexible Nutzungsmöglichkeiten.
Ein weiterer Faktor ist das Aufkommen neuer Arbeitsmodelle. Der Trend zum Home Office, der sich seit der Pandemie massiv verstärkt hat, führt dazu, dass Pendelwege reduziert werden. Wer nicht täglich ins Büro fahren muss, benötigt auch seltener ein eigenes Auto.
Städte als Vorreiter: Nachhaltige Mobilität als Konzept
Immer mehr Städte setzen auf nachhaltige Verkehrskonzepte, um die urbane Mobilität umweltfreundlicher zu gestalten. Kopenhagen ist bereits heute eine der fahrradfreundlichsten Städte der Welt: Rund 49 Prozent der Einwohner nutzen täglich das Fahrrad – eine Entwicklung, die gezielt durch eine hervorragende Infrastruktur gefördert wurde.
Auch in Oslo wurde der Autoverkehr in der Innenstadt drastisch reduziert, indem Parkplätze entfernt und der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wurde. Ähnliche Konzepte werden in Madrid und Mailand getestet, wo Stadtviertel verkehrsberuhigt gestaltet werden, um Fußgängern und Radfahrern mehr Raum zu geben.
Einige Städte experimentieren sogar mit der kostenlosen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, um den Individualverkehr weiter zu reduzieren. Luxemburg etwa bietet bereits seit 2020 den ÖPNV kostenlos an – mit dem Ziel, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, das Auto stehen zu lassen.